Von Bluterguss bis Exitus – Florian Teeg

tl;dr: Ist es das deutsche House of God? Nein!

Buchcover

Klappentext Bleiben Sie ruhig, ich werde Arzt. Gestern noch an der Uni, heute allein vor einem Patienten, der vor Schmerz halb ohnmächtig ist. Und man hat keine Ahnung, was ihm helfen könnte: Wie ist das, wenn man ein halbes Blutbad anrichtet und dann plötzlich der Chefarzt ins Zimmer platzt? Oder wenn man einem Patienten sagen muss, das er eine tödliche Krankheit hat? Sehr ehrlich, selbstkritisch, aber auch höchst komisch berichtet Florian Teeg von seinem ersten Jahr an der Klinik: von störrischen Patienten, Fehldiagnosen und ihren Folgen, Flirts im Schwesternzimmer und den Grenzen der Medizin.

Meinung Laut Goodreads war ich im Dezember 2014 in der Mitte des Buches. Dass ich bis jetzt gebraucht habe, um es zu beenden, sagt einiges. Immerhin ist es medizinische Lektüre für die Freizeit. Eigentlich mag ich sowas. Leider scheint der Autor an Apex homo albus angekommen zu sein, mit seinem Ego, wenn man ihn in seinem Humor beschreiben will. Ganz nach dem Motto, sieht er die Pflege meist als inkompetent. Ausser er hat ein sexuelles Interesse. Wenn er eine “dicke Schwester”, und ja, das schien durchaus abwertend gemeint, aus Versehen dann doch Kompetenz zuspricht, nimmt er das selbstverständlich einige Seiten später wieder zurück. Allgemein haben alle ausser ihm sehr offensichtliche Fehler. Wenn er Fehler macht, beginnt manchmal eine Selbstreflexion aber die endet nach einem Satz, ohne zu einem Schluss zu kommen. Wie zum Beispiel, als er eine der “Schwestern” stalkt, bis sie ihm unter Tränen eröffnet, dass sie gekündigt hat, weil sie es nicht mehr aushielt. Er selbst wurde auch von einer Frau verfolgt, von der er eigentlich nichts wollte. Eine Parallele, dass er vielleicht ebenso unangenehm und uneinsichtig war, wie seine Stalkerin, brachte er nicht hin.
Wie gesagt, von “Schwestern” hält er nicht viel:
Zwischenzeitlich hatte ich fast das Gefühl gehabt, dass sie Spass daran hatten, mal etwas Spannenderes zu machen, als immer nur Popos abzuwischen und Tabletten auszuteilen.
Das A und O der Patientenkommunikation schien auch noch nicht angekommen zu sein, als er abschloss:
Um den Patienten zu beruhigen, benutzte ich das kumpelhafte “Wir”. […] Vielleicht war es auch ein Pluralis Majestatis.
So realistisch wie der Klinikalltag dargestellt sein mag und wie gut der Herr die medizinischen Sachen auch für Laien erklärt, ich würde Ihn, zumindest als Assistenzarzt, nicht als meinen Arzt wollen. Vielleicht hat er auf seinem Weg zum Facharzt ja noch etwas Empathie und gesunde Selbstkritik gelernt. Lustig fand ich das Buch jedenfalls selten und bei seiner Sicht auf Patienten und Frauen wollte ich teilweise fast kotzen. Zu dem Punkt auch folgendes Beispiel:
Das […] sei mit ein Grund für den Ärztemangel: Eigentlich gibt es mehr Ärzte als je zuvor. Da diese jedoch zunehmend weiblich sind und neben der Arbeit noch andere Dinge im Kopf haben, sinkt die effektive Arbeitszeit der Mediziner.
“effektiv” meint er wohl das Total. Ob ein*e Ärzt*in nach 24 Stunden Dienst allerdings tatsächlich noch “effektiv” ist, behaupte ich sehr zu bezweifeln. Es wirkt fast so als würde er nicht viel davon halten, dass Frauen den Arztberuf wählen.
Bezüglich Patienten und deren Angehörigen scheint er eine eher undifferenzierte Meinung zu haben, was Suchterkrankungen angeht. Ja es wirkt fast so, als könnte er nicht sehen, dass Menschen mit Suchterkrankungen mehr sind als ihre Sucht und vielleicht auch mal nicht gesoffen haben. Ich behaupte mal er würde aber auch nicht verstehen, wenn seine Partnerin in verliesse, wenn er in einem Burnout anfangen würde irgendwelche Drogen zu konsumieren.
Vielleicht hatten die Schwestern ja recht. Schliesslich waren sie mit dem Schmerz der Angehörigen besser vertraut und reagierten oft einfühlsamer auf deren Ängste als wir Ärzte, die wir häufig nur die medizinische Seite sahen. Auch wenn ich nicht verstehen konnte, wie man einem Leben an der Seite eines üblen Trunkenbolds auch noch hinterhertrauern konnte.

Ich jedenfalls trauere diesem üblen Buch nicht hinterher.

/5